Mit Chaos umgehen

Aquarell: Chaos

Anmerkung: Die Situation, über die ich in diesem Beitrag berichte und reflektiere, hat sich bereits vor zwei Wochen zugetragen. Den Entwurf des Artikels habe ich einen Tag danach verfasst, er blieb aber bis heute unveröffentlicht liegen.

„M. hat ihr Handy verloren.“ M. ist meine Tochter, und der Anruf kommt von ihrer Mutter, die gleich zur Arbeit aufbricht. Sie bittet mich, mich mit um die Angelegenheit zu kümmern. Es dauert ein paar Sekunden, bis ich mental einigermaßen realisiere, was das bedeutet bzw. bedeuten kann. Mein Körper ist da schneller, der schaltet sofort in den Kampfmodus. Ich bin auf diese Situation überhaupt nicht vorbereitet. Ich habe so etwas noch nie erlebt. Bevor wir das Telefonat beenden, höre ich mich sagen: „Ich muss das mal kurz verdauen. Dann überlege ich mir, was ich tun kann.“

Ein Teil von mir möchte unbedingt noch die Aufgabe abschließen, an der ich gerade arbeite. Das dauert ungefähr fünf Minuten. Richtig gut konzentrieren kann ich mich nicht, aber ich beende diesen Schritt.

Ich kann in diesen Minuten nicht gut denken. Klar, mein Körper hat Stresshormone ausgeschüttet und mich in Flucht-/Kampfbereitschaft versetzt. Er schaltet auf Autopilot. Denken ist in körperlichen Gefahrensituationen störend und wird deshalb zurückgefahren. Dumm nur, dass ich eben nicht in einer körperlichen Gefahrensituation bin sondern gerade jetzt mein Denken bräuchte um zu überlegen, was ich tun kann.

Immerhin kann ich diesen Gedanken fassen: „Das ist eine chaotische Situation.“ Und in einer chaotischen Situation ist nach dem Cynefin-Framework die beste Strategie, zunächst überhaupt irgendetwas zu tun, um Anhaltspunkte zu gewinnen, was denn vielleicht sinnvoll unternommen werden kann. Act, sense, respond.

Ich kann mir zugestehen, dass ich in dieser für mich chaotischen Situation keinen Plan habe und dass ich am besten einfach mit irgendetwas anfange. Diese beiden Punkte kommen mir in den Sinn:

  • Irgendwie Kontakt zu meiner Tochter kriegen
  • Mich irgendwie um fachliche Unterstützung für mich kümmern.

Also unternehme ich diese Schritte:

  1. Ich teile meine Situation in meinen wichtigsten sozialen Netzwerken und bitte um Unterstützung.
  2. Der besten Freundin und Schulkameradin meiner Tochter sende ich eine SMS mit meiner Handynummer, damit ich über diesen Kanal erreichbar bin.
  3. Die Mutter meiner Tochter informiere ich, sie möge M. mitteilen, dass mich meine Tochter sobald wie möglich anrufen solle – falls sie zeitnah nochmals Kontakt mit ihr hat.
  4. Auf das Festnetztelefon meiner Tochter spreche ich eine Rückrufbitte.
  5. Ich checke erste Feedbacks zu meinen Unterstützungsgesuchen in den sozialen Medien, und erfahre dort u.a. dass es eine gute Idee sei, auf dem verlorenen Handy anzurufen. Vielleicht melde sich ein ehrlicher Finder.
  6. Gesagt getan. Leider klingelt es vergeblich – was aber darauf schließen lässt, das das Gerät eingeschaltet ist.
  7. Meine Tochter meldet sich über Festnetz, und während wir besprechen, was wir weiter unternehmen können, erhält sie eine Mail des Omnibusbetriebes, in dessen Bus sie ihr Handy verloren haben könnte.: Das Gerät sei gefunden worden.

Der Rest der Geschichte ist nicht weiter erwähnenswert. Meine Tochter hat ihr Smartphone wieder. Das, was wir erlebt haben, war das Best Case Szenario.

Erwähnenswert ist aber, dass ich bis zum Telefonat mit meiner Tochter keine Stratagie hatte und auch nicht haben konnte, außer irgend etwas zu tun. Bis zu dem Zeitpunkt hatte ich aber durch zwei Unterstützer*innen unabhängig voneinander den Hinweis erhalten auf einen Artikel der Verbraucherzentrale, was im Falle eines Handyverlusts zu unternehmen ist.

In einem ungünstigeren Szenario hätte ich nun anhand des Artikels systematisch Schritt für Schritt vorgehen und mich von einer chaotischen in eine komplizierte Situation bewegen können.

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