Listening Spaces statt Talkshows

Gestern Abend habe ich ausnahmsweise die Talkshow Hart aber fair gesehen. Normalerweise sehe ich mir keine Talkshows an, aber gestern ging es in der Sendung um Klimaschutz. Das Thema interessiert mich, und ich ließ mich dazu hinreißen einzuschalten.

Puh.

Was ich gesehen habe, war tatsächlich eine Talk-Show im schlechten Sinne. Eine Show in der die Teilnehmenden versuchten, ihre Sicht auf das Thema zu verbreiten und die Konkurrent*innen auszustechen und in ein schlechtes Licht zu rücken. Streitgespräch. Wettkampf. Ein fast permanenter Kampf um Redeanteile und um die Gunst des Publikums. Außerdem habe ich einen Moderator gesehen, der irgendwie die Rolle inne hatte, einen Sack Flöhe zu hüten.

Das lag meines Erachtens aber weder unmittelbar am Moderator noch an den Gesprächsteilnehmer*innen. Ich denke es liegt an der grundlegenden Struktur vieler Talkshows, die als Streitgespräche konzipiert sind. An der Aufmerksamkeitsökonomie. Am Buhlen der Sender um Einschaltquoten. …

Mich ermüdet das total.

Was ich mir wünschen würde, wäre ein solches Format:

Alle Teilnehmenden bekommen in einer Eingangsrunde etwa 5 Minuten Zeit, um ihre Sicht auf das Thema ohne Unterbrechung darzulegen. Plus 1-2 Minuten, in denen der Moderator und die anderen Gäste Verständnisfragen stellen können.

Anschließend gibt es eine zweite Runde, in der sich alle nochmals nacheinander äußern und dabei auf das Gehörte aus der ersten Runde Bezug nehmen können.

Und dann gibt es einen generativen Dialog aller Beteiligten, in dem es darum geht, gemeinsam Positionen weiterzuentwickeln.

Kooperation statt Konfrontation.

Geht nicht?

Vermutlich bin ich an dieser Stelle zu optimistisch, was eine solche Art von Sendung im öffentlichen oder privaten Fernsehen angeht. Wahrscheinlich würde sie nicht genügend Zuspruch finden, um sich im Programm zu halten.

Geht doch!

Ich hatte persönlich das Glück, mir in den letzten Jahren ein Umfeld aufbauen zu können, in dem ich immer wieder an solchen Gesprächsrunden in kleinerem Kreis oder auch in größeren Runden teilnehmen kann. Mit Menschen, die ich kenne, und auch mit unbekannten Menschen.

Aus diesen Gesprächen komme ich in der Regel mit dem Gefühl heraus, verstanden worden zu sein, mich verbunden zu fühlen (ggf. trotz gegensätzlicher inhaltlicher Positionen) und etwas gelernt zu haben.

Mehr Demokratie bietet beispielsweise seit einiger Zeit regelmäßig ein solches Austauschformat an. Es heißt „Sprechen und Zuhören“.

Listening Spaces statt Talk-Shows

Echtes Zuhören und generative Dialoge statt Vermarktung der eigenen vorgefertigten Meinungen in Rede-Duellen. Solche Formate würde ich mir mehr wünschen statt klassischer Talk-Shows. Idealerweise im Fernsehen. Ansonsten publiziert und bekannt gemacht als Aufzeichnung im Internet. Wir leben ja im Zeitalter der nahezu unbegrenzten Publikationsmöglichkeiten und sind nicht mehr abhängig von den Massenmedien.

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